Bericht (von Horst)

Nach langwiergem Anmeldeprozedere ist meine Teilnahme, beim bislang längsten Lauf meines Läuferdaseins, nun endlich Geschichte. Nach den erfolglosen Anmeldungen im Jahr 2013 und 2014, musste ich die bereits verfallenen Qualifikationspunkte für den Fixstartplatz 2015 im vergangenen Jahr nochmals sammeln. Nun war also endlich, nach drei Jahren Wartezeit, der Startplatz gesichert.

Nach einem, mit dem Rennsteig und Biel, etwas zögernd in Gang gekommenen Jahr 2015, konnte ich erstmals, nach einer erheblich Trainingsverschärfung, beim Eiger Ultratrail richtig zufrieden sein. Die Regeneration danach und das weitere Training verliefen gut, ich konnte wirklich alle Einheiten verletzungsfrei und gesund absolvieren.

Am Donnerstag Abend (der Tag vor dem Start) kamen wir nun also mit unserem Wohnmobil auf dem Campingplatz "Mer de Glace" an. Leider waren wir für die Abholung der Startunterlagen und den Rucksack-Check etwas zu spät dran. Somit blieb uns hierfür nur der Freitag Mittag. Da man mit sechs Personen immer etwas langsamer aus den Startlöchern kommt, waren wir auch hierfür etwas spät in Charmonix. Nach der Abholung der Startunterlagen ging es unmittelbar zum Rucksack-Check. Hier musste ich leider feststellen, dass sich ein kleines Loch in meiner Trinkblase befand. Also noch schnell auf die Laufmesse, die um diese Zeit schon halb abgebaut war. Tatsächlich konnten wir, nach kurzer Suche, an einem Salomon-Stand noch eine Passende kaufen. Nach unserem Verpflegungseinkauf ging es zurück zum Campingplatz, leider hatte hier der Bus 45 Minuten Verspätung, was den Tag nicht wirklich entspannte. Um ca. 15.30 Uhr angekommen, etwas essen und ab ins Bett, leider war nur noch eine halbe Std. schlafen drin.

Aufstehen um 16.30 Uhr, ab nach Charmonix, um 17.00 Uhr Briefing, um 18.00 Uhr Start. Etwa 1900 der 2300 Teilnehmer befanden sich bei meiner Ankunft um 17.00 Uhr bereits im Startbereich zur Wettkampfbesprechung. Das Briefing fand außschließlich in Französisch und Englisch statt, was jedoch keine Rolle spielte, da die Akustik so schlecht war, dass man auch in Japanisch nichts verstanden hätte. Etwa zehn Minuten vor dem Start begann dann eine gewisse Unruhe in der Menge, alle rückten näher zusammen und drängten sich Richtung Startlinie. Evtl. waren sich einige nicht bewußt wie lange die Stecke war und wollten sich noch eine gute Ausgangsposition sichern. Etliche begeisterte Zuschauer säumten den Startkanal, was unter anderem dazu führte, dass der erste Kilometer zu einem stetigen "Stop and Go" wurde. Erst nach dem Verlassen der Ortschaft konnten wir weitestgehend frei laufen. Das Wetter präsentiertes sich mit ca. 30 Grad optimal und es standen uns zwei sternenklare Nächte, sowie ein wolkenloser Tag bervor.

Die breiteren Forststraßen konnten wir, auf Grund der Vollmondnächte, sogar teilweise ohne Stirnlampe laufen. Nach 48 km wurde ich, zu erstenmal in meiner Trailläufer-Karriere, kontrolliert. Hierbei mussten fünf festgelegte Teile, die zum Bestand der Ausrüstung gehörten, vorgezeigt werden. An dieser Verpflegungßstelle aß ich wohl etwas zu wenig, was dazu führte, dass ich bereits nach rund 55 km einen richtigen Hungerast hatte. Zuviel wollte ich von meiner eigenen Verpflegung allerdings noch nicht angreifen, da ich ja noch eine gute Stück vor mir hatte. Durch die daraus resultierende Temporeduzierung kamen auch der oder die andere Läufer/in von hinten. Letztere rutschte leider so knapp hinter mir aus, dass sie mir in die Ferse stieg, ich dabei extrem umknickte und den Schuh verlor. Eines war klar, nur schnell den Schuh wieder anziehen und sofort belasten, keinen Schmerz zulaßsen, nur dann ist hier noch nicht Schluß. Mit meinem Hungerast und leicht lädiert fokusierte ich mich zunächst auf die noch sechs Kilometern entfernte Verpflegungsstelle.

Hier nahm ich jedoch wahllos soviel Verpflegung auf, dass ich mich die kommenden zehn Kilometer darauf konzentrieren musste, mich nicht zu übergeben. Ab km 95 war für mich klar, dass ich mein geplantes Zeitziel mit unter 30 Std. wohl nicht einhalten würde, hier verabschiedete ich mich auch von demselben, um den Lauf stressfrei geniessen zu können. Nun warteten aber noch vier echte und wie sich noch herausstellen sollte, heftige Anstiege.

Leider war es mir auch nicht möglich, in meiner Lieblingsdisziplin, dem Downhill-Running richtig Zeit gutzumachen, denn seit km 60 war mir klar, dass jeder Fehltritt des rechten Fusses für mich zum Ende der Veranstaltung führen würde. Die muskulären Schmerzen nahmen langsam aber sicher auch zu, was jedoch noch entspannt zu dem war, was sich bereits unter meiner Laufhose entwickelte. Der maximale Pilz hatte sich, durch den bereits seit mehreren Stunden einwirkenden Schweiß, dort breit gemacht. Glühend heiß, wund und ein Brennen, das mich zweimal dazu bewegte, mich für einige Minuten ohne Hose in ein kühlendes Bachbett zu setzen.

Nur noch 40 km und drei Anstiege mit gesamt 2800 Hm trennten mich vom Ziel. Langsam aber sicher begann es Richtung der zweiten Nacht (der eigentlich richtigen Vollmondnacht) zu gehen. Erst hier habe ich realisiert, wie lange doch dieser Lauf schon dauert und noch dauern wird. Der Erste und der Letzte dieser drei verbleibenden Anstiege hatten es nochmals richtig in sich. Der letzte Anstieg zog sich enorm in die Länge. Da die Sicht natürlich im Dunkeln etwas eingeschränkt und das Höhenprofil wenig aussagekräftig war, konnte ich nicht erkennen, wie weit sich dieser noch hinziehen sollte. Vermeintlich oben angekommen! Aber nur fast! Denn dann ging es in einem, gefühlt ewigen Auf und Ab, noch mindestens eine Ewigkeit, tatsächlich wohl nur 3 — 4 km, bis zur letzten Verpflegung.

In diesem Abschnitt der Strecke hatte ich sozusagen "die Schnautze richtig voll". Ich verfluchte diesen Teil, konnte es einfach nicht fassen, 30 Hm runter, 50 Hm rauf. Ich war sicher, die zu bewältigenden Höhenmeter schon lange erreicht zu haben. Es konnte nicht sein dass die beiden Lauflampen in ca. 1 km Entfernung sich nun wieder nach oben bewegten. Ich wollte nur noch den Lichtblick der letzten Versorgung und von da an nur noch abwärts ins Ziel.

02.15 Uhr, dort endlich angekommen, schickte ich noch eine letzte Sms mit meiner geschätzten Zielankunft um 03.15 Uhr, an Christine. So, sammeln und dann nur noch Downhill, aber kontrolliert. Wie? Die Füße maximal schwer, der Unterleib maximal wund und die Beine maximal verkrampft. Locker und Zeit lassen, keinen Sturz oder Stolperer mehr riskieren auf den noch verbleibenden ca. 10 km. Dann endlich die Ankunft in Chamonix. Da ich keine Ahnung hatte, von wo ich in den Ort einlaufen würde und wo sich das Ziel befindet, fragte ich sofort den ersten Kontrollposten wie weit es noch sei. Die Antwort lautete "2 km". Frust pur, damit hatte ich nicht gerechnet. Jedoch sollte sich, sehr zu meiner Freude, schnell herausstellen, dass diese Angabe nicht ganz real war. Bis auf meine Familie und einige andere Angehörige die im Ziel auf ihre Läufer warteten, waren um diese Uhrzeit keine Zuschauer im Zielbereich. Nadine und Jonas liefen die letzten paar hundert Meter mit mir ins Ziel, wo Christine, Ted und Sophie bereits warteten. Die erste Euphorie über das Geschaffte hielt sich übrigens, unmittelbar nach der Zielankunft, erstmal in Grenzen. Vielmehr stellte ich mir die Frage, wie blöd man eigentlich sein mußs, um sich dermaßen zu quälen.

Ich nehme es vorweg, die Frage blieb bis heute ungeklärt. Nach einem kurzen Aufenthalt und einem richtigen Bier im Zielbereich ging es zur Dusche. Da die Massagen erst ab 8.00 Uhr morgens möglich waren, radelten wir alle zum Wohnmobil. Dort schlief ich, noch während ich erzählte, bereits im Sitzen ein. Nach weiteren gut vier Stunden Schlaf, fuhr ich zum locker werden mit dem MTB zur Massage. Als ich dort gegen 9.30 Uhr ankam, konnte ich, ebenso wie bei einem späteren Bummel durch Chamonix noch etliche Läuferinen und Läufer bei Ihrer Zielankunft bewundern. Mit einem Tag Abstand betrachtet, bleibt zumindest die Erkenntnis, "ich würde mir eine solche Streckenlänge wieder antun". Nach dem "Warum" zu fragen ist hier allerdings sinnlos. Ich könnte es nicht erklären.

Ergebnis:
Gesamt Platz 217 von 1562 regulären Finshern
Platz AK 72 von 679
Zeit 33:13:41 h
738 Ausgestiegen oder nach offiziellen Zielschluß angekommen